Über das Seminar
Die Gehirnentwicklung eines Babies ist nach der Geburt in weiten Teilen noch nicht abgeschlossen. Sie erfolgt postnatal durch neuroplastische Prozesse (entwicklungs - und erfahrungsbedingte Veränderungsprozesse im Gehirn). Neuroplastizität schafft einen Brückenschlag zwischen Biologie und Umwelt und macht das kindliche Gehirn einerseits besonders lernfähig, aber andererseits auch höchst anfällig für negative Umwelteinflüsse.
Grundvoraussetzungen für eine gesunde hirnanatomische und kognitive Entwicklung sind positive Interaktionen zwischen Kind und sozialer Umwelt, die physiologische Stressreaktionen abpuffern und Bindungsfähigkeit forcieren. Im Gegensatz dazu führen negative Umwelteinflüsse wie Vernachlässigung und Misshandlung aufgrund der weitreichenden Neuroplastizität des kindlichen Gehirns zu einer erhöhten Vulnerabilität für toxischen Stress und Traumata. Das kann in weiterer Folge kognitive Schäden und langfristig verstärkte Angstreaktionen auslösen.
Ziel dieses Kurses ist es, pädagogischen und sozialpädagogischen Fachleuten wesentliches Know-how im Bereich der Neurobiologie, insbesondere der kindlichen Gehirnentwicklung, zu vermitteln und Werkzeuge in die Hand zu geben um neurowissenschaftliche Erkenntnisse im beruflichen Alltag anwenden zu können. Anhand von Beispielen aus der psychosozialen Praxis besprechen die Referent*innen, wie das Wissen um neurobiologische Vorgänge in der Psychoedukation sinnvoll und erfolgreich eingesetzt werden kann.
Aufbau/Methodik
Der Workshop besteht aus theoretischen und praktischen interaktiven Teilen. Impulsvorträge basierend auf neuesten Erkenntnissen aus der Hirnforschung führen in die einzelnen Themenbereiche ein. Die theoretischen Inhalte werden durch Kurzfilme und Animationen didaktisch unterstützt. Die theoretischen Blöcke werden durch Gruppenübungen und Einzelübungen aufgelockert. Dazwischen gibt es Lernbeispiele, um den Lerntransfer zu gewährleisten.
Nachdem es sich um eine zweitägige Veranstaltung handelt, kann man von einem optimalen Lerntransfer ausgehen, weil Inhalte wiederholt und vertieft werden und der passive Zeitraum zwischen den beiden Veranstaltungstagen der Gedächtniskonsolidierung dient.
Begleitet von fachlichem Input werden konkrete Beispiele (von Teilnehmer*innen) mittels Fallreflexionen bearbeitet. Die Vortragenden geben ressourcenorientierte Anleitungen zu den Fallreflexionen und machen die Teilnehmer*innen mit Konzepten aus der Psychoedukation vertraut.
Darüber hinaus wird den Teilnehmer*innen auch Raum für vertiefende Diskussionsrunden geboten.
Ziele
- Einführung in neurobiologische Grundlagen der sozialen Kognition
- Verständnis, wie positive und negative Erfahrungen und Erlebnisse im Kindes- und Jungendalter sich auf die Gehirnentwicklung auswirken und wie Gehirnprozesse das Sozialverhalten beeinflussen
- Erkennen von vulnerablen Phasen der Gehirnentwicklung und Kenntnis über Risiken während der vulnerablen Phasen
- praktische Ansätze, die kognitive Entwicklung bei Kindern-und Jugendlichen positiv zu beeinflussen
- Anleitungen zur Durchführung von Psychoedukation im sozialpädagogischen, pädagogischen oder therapeutischen Setting
Einführung
- neurowissenschaftliche Ansätze in der Sozialpädagogik
- Chancen und Grenzen
- Erfahrungsberichte
Angeboren – anerzogen?
- neue Antworten auf kontroversielle Ansichten: Neuroplastizität (= Veränderungsprozesse im Gehirn) schafft den Brückenschlag zwischen Biologie und Umwelt
Emotionen und Kognition
- der Einfluss von Emotionen auf die Gehirnentwicklung und kognitiven Leistungen von Kindern und Jugendlichen, unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen von Stress und Traumatisierung
Fallreflexionen I
- am Beispiel mehrerer Fälle diskutieren wir die Folgen von PTBS, komplexen Traumata und Angststörungen auf die Gehirnentwicklung und kognitiven Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen
Vulnerable Phasen in der Gehirnentwicklung
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass vor allem im Kleinkindalter und in der Adoleszenz weitreichende neuroplastische Prozesse ablaufen. Diese neuroanatomischen Veränderungen bilden die Grundlage für Lernen und Gedächtnis, gehen aber gleichzeitig mit einer erhöhten Vulnerabilität während dieser Entwicklungsphasen einher.
Fallreflexionen II
Am Beispiel weiterer Fälle, beleuchten wir im Detail welche Auswirkungen physische und psychische Gewalt sowie Vernachlässigung auf die Gehirnentwicklung und das soziale Verhalten von Kindern und Jugendlichen hat.
Praktische Einführung in die Psychoedukation
- Darlegung von Beispielen, wie neurowissenschaftliche Erkenntnisse im sozialpädagogischen und therapeutischen Alltag angewandt werden mit der Zielsetzung den Schuld-Scham-Zyklus der Klient*innen zu durchbrechen