Warum Traumatherapie für Kinder?
Das Ausmaß kindlicher Reaktionen auf belastende und traumatische Ereignisse wurde jahrelang auch von Fachpersonen massiv unterschätzt
Immer deutlicher werden die Zusammenhänge zwischen belastenden und traumatischen Kindheitserfahrungen und der Entwicklung psychischer, körperlicher und sozialer Störungen im weiteren Leben. In der Erforschung der Auswirkungen von belastenden Kindheitserfahrungen kamen Forscher in der ACE Study (Adverse Childhood Experience) zu dem Ergebnis, dass belastende Kindheitserfahrungen die Hauptdeterminanten für Gesundheit und soziales Wohlergehen sind.
Der Begriff Trauma kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Verletzung". Das Fachgebiet der Psychotraumatologie befasst sich mit der Entstehung, dem Verlauf und der Behandlung von seelischen Verletzungen, die in Folge eines extrem belastenden Lebensereignisses aufgetreten sind.
Die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung von Kindern und Jugendlichen unterscheiden sich deutlich von denen der Erwachsenen.
Besonderheiten Kinder-traumatherapeutischen Vorgehens sind, dass der Behandlungsprozess aktiver und gleich flexibler gestaltet werden muss.
Die Bedeutung von Bezugspersonen muss beachtet werden und mit Vermeidungstendenzen sollte konstruktiv umgegangen werden.
Inhalt
- Grundlagen und Besonderheiten der Traumtherapie mit Kindern und Jugendlichen
- Ressourcen- und Stabilisierungsmethoden
- spezielle Diagnostik für Kinder und Jugendliche
- Krisenintervention
- Traumabearbeitungsmethoden für non-komplexe und chronifizierte PTBS; EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), TV-KTV (traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie), TST (traumaspezifische Spieltherapie nach Dorothea Weinberg) werden vermittelt.
Einführungskurs mit Rose-Marie Wellek-Mestian (3 Tage)
In diesem Modul werden theoretische Grundlagen, Diagnostik und Therapie von Traumafolgestörungen bei Kindern und Jugendlichen vermittelt.
- Diskussion der diagnostischen Kriterien
- praktische Vermittlung von traumaspezifischen Diagnose- und Behandlungsverfahren
- Überblick über den aktuellen Stand der Forschung im Bereich Trauma, mit Bezug auf Metaanalysen und Guidelines
- Maßnahmen zur Verhinderung erneuter Viktimisierung
- Vermittlung relevanter juristischer Grundkenntnisse
mit Rose-Marie Wellek-Mestian (2 Tage)
In diesen Lerneinheiten sollen Fachwissen und dem Entwicklungsstand des Kindes entsprechende therapeutische Techniken vermittelt werden, die es erlauben eine tragfähige therapeutische Beziehung aufzubauen und den Patientinnen helfen sich zu stabilisieren, indem sie ihre Emotionen besser erkennen und regulieren und ihre Ressourcen aktivieren können.
Methoden zur Beziehungsgestaltung, insbesondere bei interpersoneller Traumatisierung und Techniken zur Förderung der Affektregulation und Ressourcenaktivierung werden vermittelt und praktisch erprobt. Besonderheiten klinischer Symptomatik (kulturspezifischer Krankheitsausdruck, genderspezifische transkulturelle Aspekte) und Krankheitskonzepte/Therapieerwartungen werden vermittelt.
mit Simone Lindorfer und Sylvia Wunderlich (2 Tage)
Besonderheiten klinischer Symptomatik
- Krankheitsausdruck
- genderspezifische transkulturelle Aspekte
- unterschiedliche Konzepte von "Kindheit" und "Trauma"
- Therapieerwartungen im Hinblick auf Erfahrungen mit Migration und/oder Flucht
Krisenintervention
- Spezifische Anforderungen bei Kriseninterventionen vor Ort hinsichtlich Lageeinschätzung, Interventionen und Besonderheiten in bestimmten Kontexten ( z. B. Suizidalität)
- Überblick über die nosologischen Konzepte und die Diagnostik akuter Traumafolgen nach ICD-11 und DSM-5
- AWMF-S2-Leitlinie "Diagnostik und Behandlung von akuten Folgen psychischer Traumatisierung"
- Psychoedukation als wesentliche Methode der Arbeit im Frühstadium wird für die verschiedenen Altersgruppen vorgestellt.
- Grundlagen der Gesprächsführung mit akut Betroffenen und deren Bezugspersonen sollen vorgestellt und geübt werden; besondere Beachtung finden dabei die Ressourcenidentifikation und -aktivierung zur Unterstützung natürlicher Verarbeitungsprozesse
- Kenntnisse über prä- und posttraumatische Schutz- und Risikofaktoren werden vermittelt; Screening und prognostische Einschätzung hinsichtlich der Entwicklung von Traumafolgestörungen bei Kindern und Jugendlichen, gegebenenfalls aber auch bei deren Bezugspersonen werden in den Kontext der Arbeit eingeordnet; weiters wird ein Überblick über Unterstützungs- und Behandlungsmöglichkeiten betroffener Kinder und Jugendlicher und deren Bezugspersonen vermittelt
mit Sylvia Wunderlich (2 Tage)
Dieses Modul dient zur Vertiefung der Einordnung von Symptomen nach den Konzepten des DSM-5 und der ICD-11, sowie des Umgangs mit der S2-Leitlinie zu akuten Traumafolgestörungen. Dabei gibt die Vortragende einen Überblick über traumafokussierte Behandlungsmethoden (auch hinsichtlich Evidenz, dem Forschungsstand zur Wirksamkeit) für die verschiedenen Patient*innenengruppen. Auch die aktuellen Empfehlungen und Leitlinien zur Einordnung der Problemlagen und der Behandlung bei Großschadenslagen werden im Programm thematisiert.
Vertieft und geübt werden die Gesprächsführung mit Kindern und Jugendlichen, sowie deren Bezugspersonen. Insbesondere das Erstgespräch wird dabei ein Schwerpunkt sein.
Einen besonderen Schwerpunkt sollen komplizierte Verläufe (Dissoziation, Suizidalität, Fremdaggression etc.) einnehmen. Weiterhin werden verschiedene Fallkonstellationen in Kleingruppen bearbeitet. Auch für Supervision eigener Akutfälle wird in diesem Seminar Zeit sein.
Hinweis zu den Seminarzeiten
Dieses Modul findet an beiden Tagen jeweils 9:00 – 17:00 Uhr statt.
mit Rose-Marie Wellek-Mestian und Peter Niederhuber (3 Tage)
1. evidenzbasiertes Verfahren (24 AE)
Die Methode EMDR wird nach den Vorgaben des Lehrbuchs Shapiro (2018) und kindgemäßen Anpassungen nach Hensel (2007) gelehrt.
- Entstehungsgeschichte
- Menschenbild
- Störungsmodell (AIP, Gedächtnisrekonsolidierung)
- Therapietheorie
- Therapieprinzipien
- Forschungsergebnisse (Wirkfaktoren, Neurobiologie)
- Standardprotokoll
- altersadaptiertes Standardprotokoll
- Anwendung bei unterschiedlichen Klientengruppen (Flüchtlinge, mentale Beeinträchtigung, Bezugspersonen, ...)
- Veranschaulichung durch Therapievideos aus den verschiedenen Altersgruppen (0-3, 4-6, 9-12 und 13-17 Jahre)
- Supervision und Behandlungsplanung
Als didaktische Methoden kommen neben der Veranschaulichung mithilfe von Powerpoint-Präsentation und konkreten Praxisbeispielen (Fallgeschichten, Lehrvideos) auch Kleingruppenübungen, Gruppendiskussionen und Gruppenarbeit zum Einsatz.
mit Patrick Fornaro (2 Tage)
In diesem Workshop werden die traumaspezifischen Basistechnikender TF-KVT vorgestellt und eingeübt. Dazu gehört eine altersgerechte Psychoedukation über traumatische Ereignisse, PTBS und das Behandlungsrational. Den zentralen wirksamen Bestandteil der Therapie stellt das Entwickeln eines Traumanarrativs dar (Exposition in sensu), in dem die Betroffenen die traumatischen Erfahrungen mit Unterstützung der Therapeutin besprechen und aufschreiben. Das Narrativ bietet den Ausgangspunkt für das Auffinden und Verändern von hinderlichen und schmerzlichen Überzeugungen über sich, andere und die Welt (kognitive Verarbeitung und Bewältigung dysfunktionaler Kognitionen). Manche Kinder und Jugendliche benötigen überdies Unterstützung bei der In-vivo-Bewältigung von traumatischen Erinnerungen oder Schlüsselreizen. Der letzte Teil der Behandlung betrifft die Verbesserung von künftiger Sicherheit, die Förderung der weiteren Entwicklung und die Rückfallprophylaxe
mit Dorothea Weinberg (2 Tage)
Die einleitende Theorie-Präsentation stellt das traumapsychologische Konzept, das der tSt zugrunde liegt, dar. Der Schwerpunkt dieses Wochenendes liegt auf der Erarbeitung der traumabezogenen Spieltherapie tSt. Diese wird anhand von Videodemonstration, Konzeptarbeit, Workshops und konkreten Demonstrationen von Therapeutenverhalten anhand der fishpool-Technik erarbeitet und anwendungsreif angeeignet.
Die methodischen Bestandteile der tSt sind unter anderem:
- Aufbau guter innerer Instanzen
- Bau-dir-Instruktion
- Arbeit mit nicht endenden aggressiven Spielen
- Aufbau von Sicherheit im Therapiezimmer
- gezielte Arbeit mit Spaltungen
- Arbeit mit dem Todesthema
mit Rose-Marie Wellek-Mestian und Peter Niederhuber (3 Tage)
- Diagnostik komplexer PTBS – kPTBS
- Behandlungsplanung komplex traumatisierter Kinder und Jugendlicher
- schonende Aktualisierung, Kennenlernen verschiedener Methoden
- Prozessierung
- Arbeit mit Narrativen
- MASTR-Manual
- Arbeit mit Pflege und Adoptiveltern von Kindern und Jugendlichen mit komplexen Symptomen nach interpersoneller Gewalterfahrungen
- Supervision und Behandlungsplanung
Als didaktische Methoden kommen neben der Veranschaulichung mithilfe von Powerpoint-Präsentation und konkreten Praxisbeispielen (Fallgeschichten, Lehrvideos) auch Kleingruppenübungen, Gruppendiskussionen und Gruppenarbeit zum Einsatz.
mit Patrick Fornaro (2 Tage)
Die traumafokussierte kognitive Verhaltenstherapie (TF-KVT) ist ein evidenzbasiertes Verfahren zur Behandlung einfacher und komplexer posttraumatischer Belastungsstörungen im Kindes- und Jugendalter. Im Vertiefungsseminar werden die Methoden der TF-KVT vertieft und ergänzt, wo nötig wiederholt. Das besondere Augenmerk liegt auf der Arbeit mit Jugendlichen ab 14 Jahren sowie komplexen Konstellationen (mehrfache Traumatisierung, starke Symptombelastung und Probleme der Affektregulation, Fluchterfahrung, traumatischer Verlust nahestehender Personen).
Grundkenntnisse und Praxiserfahrung mit der TF-KVT werden vorausgesetzt. Es besteht die Möglichkeit, eigene Fälle der Teilnehmenden zu besprechen.
mit Dorothea Weinberg (2 Tage)
In diesem Seminar wird die TbSpth explizit auf Kinder mit früher Vernachlässigung und frühen Traumaerfahrungen bezogen. Zusätzlich werden die Psychologie der Bindungsstörungen und der dissoziativen Entwicklungsstörung erarbeitet, die in bindungs- und dissoziationstherapeutische Bausteine für die Behandlung münden. Eines der häufigsten und gleichzeitig am schwersten zu begegnenden Probleme in der Behandlung dieser Kinder ist die scheinbar unvorhersehbare ungehemmte aggressive Dysregulation in Alltagssituationen. Diese wird einen Schwerpunkt darstellen, da hier über die Therapie hinaus die sehr konkrete Anleitung der Bezugspersonen vermittelt wird.
mit Rose-Marie Wellek-Mestian und Claudia Winklhofer (2 Tage)
- Darstellung eigenen Vorgehens auf der Grundlage der vermittelten Verfahren
- Umgang mit Grenzen / Burn-Out-Prävention für Therapeut*innen
- Selbsterfahrung in der Arbeit mit Bezugspersonen
- berufliche Grundausbildung: Psychotherapeut*innen, klinische- und Gesundheitspsycholog*innen, Ärzt*innen
- Voraussetzung: Absolvierung eines anerkannten EMDR-Einführungsseminars (z.B. EMDR Institut Austria, Akademie für Traumatherapie)
- Auswahl: mittels Lebenslauf und Motivationsschreiben durch die Kursleiter*innen
Abschlussarbeit
- Nachweis von drei supervidierten Fällen und drei schriftliche Fallberichte (4-6 Seiten)
- ein Video einer Traumakonfrontationssitzung
Zertifizierung
Die EMDR-Seminare berechtigen bzw. sind die Grundvoraussetzung für eine Zertifizierung bei EMDR Europa bzw. der Fachgesellschaft für EMDR in Österreich (EMDR Netzwerk Österreich). Damit die Teilnehmer*innen zertifiziert werden können, müssen zusätzliche Kriterien erfüllt sein werden: diese sind hier abrufbar.
Therapeut*innen dürfen sich schon nach der Absolvierung der EMDR-Seminare "Traumatherapeut*innen für Kinder und Jugendliche" nennen; Psycholog*innen können sich als "Traumabehandler*in" bezeichnen.
Weitere Anerkennungen
- der Lehrgang wird vom ÖBVP als Weiterbildung für Psychotherapeut*innen gemäß der Fort- und Weiterbildungsrichtlinie für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten des Bundesministeriums für Gesundheit im Ausmaß von zweihundert Arbeitseinheiten anerkannt
- Um Anerkennung durch die DeGPT wird angesucht